Altwied aktuell



Hexenprozesse im Wiedischen Land

Hexenprozesse im Wiedischen Land

(Auszug aus "Geschichte auf heimatlicher Grundlage für den Kreis Neuwied", Heft II, 1957)


Die Grundlagen des Hexenwesens gehen auf das germanische Altertum zurück. Wahrscheinlich sind die Hexen aus den weisen Frauen (Priesterinnen, Ärztinnen, o.ä.) hervorgegangen. (1)  Diese weisen Frauen waren zuerst geehrt. Später schätzte man sie gering und zauberkundige weise Frauen bezeichnete man als Hexe.


Das Wort Hexe ist aus dem althochdeutschen Wort “hagzissa”, “hagazussa” abgeleitet. “Hag” bedeutet Rodung, Feld und Flur, das übrige “die Schädigende”.


Eine Hexe ist demnach die Feld und Flur Schädigende. Der Glaube an Hexerei entstammt dem uralten Zauber- und Gespensterwahn, dem Glauben an “nachtfahrende weibliche Dämonen und vampirartige Nachtweiber” (2), den es auch noch Jahrhunderte nach der Christianisierung gab. Er trug aber noch nicht die Züge des mittelalterlichen Hexenwahns. Zu germanischer Zeit war Hexerei nur als Vergehen gegen Lein und Seelestrafbar. Erst vom 13. Jahrhundert an und ausgehend von der stärkeren Verfolgung der Ketzerei wurde die Hexerei als solche zum Religionsverbrechen (Bündnis mit dem Bösen). Damit wurde die Hexerei der Zuständigkeit der Kirche unterstellt, die sie mit den gleichen Strafen und Verfahren wie für die Ketzerei behandelte:


Verweigerung des Abschwörens, Auslieferung an die weltliche Macht (Staat) zur Vollstreckung der angedrohten Todesstrafe und Anwendung des Inquisitionsverfahrens, das darauf angelegt war, auf jede Weise ein Geständnis zu erlangen.

Der Hexenbegriff der mittelalterlichen Theologie lag in der christlichen Dämonologie begründet und basiert auf aus der Bibel gewonnenen Anschauungen, auf “dualistischen gnostischen Lehren, auf dem Neuplatonismus..... Die Kirche gestand den heidnischen Göttern wirkliche Existenz in Form von Dämonen zu. (3)

1 nach: “Brockhaus-Konversations-Lexikon” 14.Auflage; 9.Band Leibzig/Berlin/Wien 1902

2 Wrede: “Rheinische Volkskunde” 2. Auflage; S. 137;Leipzig 1922

3 “Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens”; Band III 1. Lieferung; Leibzig Berlin; S.1842


===============================


Auch in dem ehemaligen Wiedischen Land wurden die Menschen von dem Hexenwahn erfaßt. Obwohl die Grafen Hermann I. und Wilhelm IV. im Jahre 1583 ein strenges Verbot der abergläubischen Mißbräuche erließen, wurden trotzdem immer wieder Menschen der Hexerei beschuldigt. Im Jahre 1593 legte man einer Frau aus Dierdorf zu Last, mit Hilfe des Teufels Menschen und Vieh umgebracht, Getreidefelder vernichtet und auf dem Hexentanzplatz mit dem Teufel getanzt zu haben. Graf Wilhelm ließ die Frau wieder frei, obwohl sie von den Richtern zum Feuertode verurteilt war. Er konnte es aber einige Jahre später nicht verhindern, daß am 30. August 1597 in Dierdorf 5 Frauen als Hexen hingerichtet wurden. Wie die Chronik von Dierdorf berichtet, war an "Uffzehrung vor die Hüter, Kirchendiener, Schultheiß, Scheffen und den Scharpffrichter 114 R 15 albus 2 Pfg uffgegangen".


Während des 30jährigen Krieges erreichte die Hexenfurcht der Menschen ihr größtes Ausmaß. Wahrscheinlich war daran das grenzenlose Elend schuld, das über uns Deutsche hereinbrach. Graf Herrmann II. von Wied, der während dieser Zeit regierte, war ein frommer Mann und fortschrittlich gesinnt. (Er hatte den Gregor. Kalender als evangelischer Landesfürst eingeführt.) In seiner im Jahre 1616 erlassenen Kirchenordnung warnte er seine Untertanen im Kap. 3 ausdrücklich vor Zauberei und dergleichen Lastern. Trotzdem wurden die Menschen immer fanatischer in ihrem Hexenglauben. Eines Tages drohten sie dem Grafen, die Teufelsdienerinnen mit Äxten auf der Straße totzuschlagen, um auch in Dierdorf die Bildung eines Hexenausschusses zu erreichen. Sie schrieben dem Grafen:


"Es ist leider, Gott erbarms, nicht allein an andern und benachbarten orten sondern auch dieses orts daß grobe hochstrafbare laster der Zauberei fast gemein, daß Menschen und Vieh bezaubert, Vergiftet und Umgebracht werden, darüber allhie im Flecken Dierdorf oft geklagt usw." (Chronik von Dierdorf).

Hexen, die Blitz, Donner und Hagel machen, in dem sie einen Hahn und eine Schlange in den Kochtopf werfen (nach einen Holzschnitt).

Sie verlangten dann weiter, daß ein Ausschuß bestellt wurde, der die Hexen und Hexenmeister ausfindig zu machen und ins Gefängnis nach Dierdorf zu schaffen hatte. Dort sollte den Beschuldigten der Prozeß gemacht werden, dessen Kosten sie oder ihre Angehörigen selbst aufbringen mußten. Anschließend sollten sie ihrem Verbrechen entsprechend mit Feuer oder Schwert vom Leben zum Tod gebracht werden, damit das Übel aus der Welt geschafft würde und die Menschen vor den Hexen "an leib und nahrung gesichert und beschützet sein mögen".


Nun mußte der Graf dem Willen des Volkes nachgeben. Wir kennen seine persönliche Einstellung zum Hexenglauben nicht, er war sicher auch ein Kind seiner Zeit. Doch in seiner nun erfolgten Anordnung lernen wir ihn als einen gewissenhaften und sehr vorsichtigen Herren kennen, denn er läßt die Mitglieder des Ausschusses durch Handschlag und Eid verpflichten, "in ihrem ampt fürsichtig und gewissenhaft zu sein, niemand durch neyd oder Haß zu inquirieren, keine unnütze und mutwillige unkosten zu machen und alles dasjenige zu tun, was trewlichen und frommen leuten gebühret zu Gottes des allmechtigen lob und heyligung seiner heiligen Gebotte".


Jetzt begann der Hexenausschuß mit der Arbeit. Meist waren es Frauen, die in Dierdorf und den umliegenden Orten als Hexen beschuldigt wurden. Die Gefängnisräume in den Türmen der Stadt füllten sich. Sogar im Rathaus mußten noch Räume für Haftzellen freigemacht werden. Ich will von den Verhören und der Art und Weise, wie man die Geständnisse erzwang, nicht schreiben. Es ist viel zu schrecklich, was diese armen Menschen erdulden mußten. Um die Qual zu beenden, legten sie die unsinnigsten Geständnisse ab und bekannten sich schuldig, mit dem Teufel im Bunde zu sein und allerlei Verhexung an Menschen und Vieh vorgenommen zu haben.


Es gab sogar Bücher, die Halsgerichtsordnung Karls V. und den "Hexenhammer", nach denen man gegen die Beschuldigten vorging..


Nach dem Geständnis trat das Hexengericht vor dem Rathaus zusammen. Hier bekannten dann die armen Menschen noch einmal öffentlich ihre Schuld, die von einem Schreiber zu Protokoll gebracht und anschließend verlesen wurde, während die Angehörigen dabei standen. Solche Berichte sind noch vorhanden. Bei dem peinlichen Halsgericht am 25. Juli 1629 war Gregor vom Hof der Schultheiß. Die Schöffen waren Johann Schneider, Giershofen, Martin Becker, Dierdorf, Thöngiß aus Brückrachdorf, Johann Weber, Muscheid, Johann Merkelbach aus Dierdorf, Herbert Hachenberg aus Wehroth.


Nach den vorhandenen Hexenprotokollen wurden im Amte Dierdorf 91 Personen als Hexen verbrannt, und zwar aus:

Dierdorf 23, Giershofen 3, Brückrachdorf 3, Offhausen 1, Wienau 7, Freirachdorf 2, Raubach 9, Elgert 5, Urbach 5, Harschbach 1, Dernbach 2, Puderbach 5, Muscheid 4, Breitscheid 1, Hanroth 4, Niederhofen 1, Daufenbauch 2, Werlenbach 1, Linkenbach 2, Lautzert 1, Wiedischhausen 1.

Im Jahre 1652 soll die letzte Hinrichtung einer als Hexe beschuldigten Frau erfolgt sein.


Durch das 16. und 17. Jahrhundert fanden in ganz Deutschland Hexenprozesse statt, bis im 18. Jahrhundert die Vernunft siegte und den Greueltaten ein Ende bereitete.


Share by: